Handwerk als Kunst betrachtet

Starkenburger Echo vom 14. Juli 2005, geschrieben von Jutta Hermanowsk

Es gibt Läden, die üben eine Sogwirkung aus. Ein solches Geschäft ist die Heppenheimer Kunst- und Rahmenhandlung Meinberg. Wer sie betritt, findet zunächst eine reiche Auswahl an Büro- und Künstlerbedarf, Wechselrahmen, Zeitungen, Zeitschriften, Briefpapier und Glückwunschkarten. Wer seiner Neugier folgt, sieht sich Hunderten von Rahmenleisten gegenüber: Ein Kaleidoskop aus Farben und Formen - einfach, verschnörkelt aus Holz und aus Metall. Im Regal gegenüber drängen sich Passepartouts, und der Betrachter wundert sich, wie viele verschiedene Arten von Weiß es doch gibt. Wer noch ein Stückchen weiter vordringt, gelangt ins Reich der schönen Künste: Aquarelle, Ölgemälde, Zeichnungen, Stiche, und Radierungen, Kunstdrucke und Poster.

Beim Stöbern verfliegt die Zeit. Auf dem Weg zurück in den vorderen Teil des Ladens fällt der Blick in die Unterwelt. Dort befindet sich die Werkstatt des Bilderrahmers und Buchbinders Ernst Meinberg. Gerade kommt er die Treppe herauf. Erkennungszeichen: grauer Kittel, kaum zu bändigende Haarbracht und ein unbestechlicher Blick für Form und Farbe. Meinberg ist mehr als ein perfekter Handwerker. Seine Rahmen drängen sich nie in den Vordergrund, sie wollen vielmehr die Wirkung des Bildes verstärken. Stammkunden wissen diese Unaufdringlichkeit zu schätzen - auch bei der Beratung. Sein Großvater jedenfalls wäre stolz auf ihn gewesen, zumal Ernst Meinberg die Geschicke des Geschäfts im hundertsten Jahr lenkt.


1905

Besagter Großvater, der Heppenheimer Johann Schäfer XI, übernahm 1905 die Buchbinderei Franz Merkel an der Marktstraße 2. Er hatte das Handwerk beim Buchbindermeister Anton Kring an der Bogengasse gelernt. Nach neun Jahren in der Fremde und selbst zum Buchbindermeister avanciert, machte er sich daheim selbständig. Bereits ein Jahr nach der Eröffnung konnte Johann Schäfer einen Laden angliedern. Seine Geschäftszweige waren Buchbinderei, Einrahmungen und der Verkauf von Devotionalien.

Johann Schaefer

Zeitungsausschnitte Blick ins Archiv

  • Geschäftsübernahme

    16. Mai 1905

    Buchbinderei Johann Schäfer

    Geschäftsübergabe und Empfehlung. Einem geehrten Publikum von hier und Umgebung die ergebene Mitteilung, daß ich die von Herrn Merkel seither betriebene Buchbinderei übernommen habe und vom 21 d. Mts. im Merkelschen Hause, Marktstraße 2, in derselben Weise weiterführen werde. Da es mein Bestreben sein wird, die mich beehrenden Kunden aufs beste zu bedienen, so bitte ich, das Herrn Merkel seither geschenkte Vertrauen auch auf mich gütigst übertragen zu wollen.

    Heppenheim, den 16. Mai 1905.
    Hochachtungsvoll Joh. Schäfer, Buchbinder.

  • Begebung von Bauarbeiten

    16. September 1927

    Bauarbeiten Wormser Tor

    Die für den Durchbruch der Marktstrasse - Friedrichstrasse (durch die Hofseite Johann Schäfer XI.) erforderlichen Erd-, Maurer-, Eisen-, Beton-, Steinmetz-, Zimmerer-, Dachdecker-, Spengler-, Schreiner-, Glaser-, Schlosser- und Installationsarbeiten und die Arbeiten für die elektr. Lichtanlagen und Lieferung von Granitstufen sollen öffentlich vergeben werden.
    Voranschlag und Bedingungen liegen im Stadtbauamt zur Einsicht der Interessenten offen, wo auch Angebotsformulare erhältlich sind.
    Angebote sind bis Donnerstag, den 22. Sept. ds. Js., vormittags 11 Uhr Rathaus Zimmer Nr. 6 einzureichen. Frei Auswahl unter den Bewerbern bleibt vorbehalten. (4551

    Heppenheim, den 16. September 1927.
    Der Bürgermeister Schiffers.

  • Geschäftsübergabe

    1. Januar 1956

    Geschäftsübergabe

    50 Jahre BUCHBINDEREI EINRAHMUNGEN PAPIER- und SCHREIBWAREN

    An meine werten Kunden! Nunmehr sind 50 Jahre vergangen, seitdem ich meine Buchbinderei eröffnet habe. Es waren Jahre der Mühe und Arbeit, bis das Geschäft zur jetzigen Größe gewachsen ist. Mit dem heutigen Tage übergebe ich das Geschäft meinem Schwiegersohn Ernst Meinberg und hoffe, dass auch Sie ihm das Vertrauen entgegenbringen, welches Sie mir gegenüber all die langen Jahre schenkten. Dafür spreche ich Ihnen meinen besonderen Dank aus. JOHANN SCHÄFER
    Werter Kunde! Mit dem heutigen Tage übernehme ich das Geschäft meines Schwiegervaters PAPIERHANDLUNG UND BUCHBINDEREI JOHANN SCHÄFER. Wie Ihnen ja bekannt, bin ich schon lange Zeit im Geschäft mit tätig. Es wird mein Bestreben sein, Sie auch weiterhin in der gewohnten Weise zu Ihrer vollen Zufriedenheit zu bedienen.

    ERNST MEINBERG Heppenheim a.d.B., 1. Januar 1956
    WIR WÜNSCHEN EIN GUTES NEUES JAHR!

  • Altangesehenes Heppenheimer Fachgeschäft

    7. Januar 1956

    Heppenheimer Fachgeschäft

    Heppenheim. Wie bereits gemeldet, hat am 1. Januar der Buchbindermeister Ernst Meinberg das Geschäft seines Schwiegervaters, des Buchbinders Johann Schäfer XI. übernommen. Er führt damit die Tradition fort, die Johann Schäfer im Juni 1905 begründete, indem er das im Hause Marktstraße 2 befindliche Geschäft von Franz Merkel übernahm, das später in den Besitz der Friseurmeisters Kintlein.
    Das 50-jährige Bestehen des Geschäfts, das demnach bereits im vorigen Sommer hätte gefeiert werden können, wurde seinerzeit nicht bekanntgemacht, weil es mit der Geschäftsübergabe verbunden werden sollte. Bereits ein Jahr nach der Eröffnung der Werkstatt konnte Johann Schäfer einen Laden angliedern. Das zweite Domizil fand er im Hause Marktstraße 13, dass damals Heckmann und Nitsche gehörte. Aber erst im dritten Hause wurde er endgültig sesshaft. Es war ungefähr acht Jahre später, als er das Franksche Haus, das ehemalige Gashaus ,,Zur Sonne“, bei einer Versteigerung käuflich erwarb. In ihm blieb er bis auf den heutigen Tag. Den Plan, das Gebäude für seine Zwecke umzugestalten, musste er freilich wegen des Krieges verschieben, der ein Jahr später ausbrach und ihn 1915 zu den Fahnen rief. Noch im selben Jahre wurde er in Russland schwer verwundet und nach der Entlassung aus dem Lazarett zur Heimattruppe abkommandiert. Zuletzt tat er Dienst beim Meldeamt Heppenheim.
    Auch nach dem Kriege verzögerte sich der Umbau noch, da mit ihm ein Durchbruch von der Markt- zur Friedrichstrasse verbunden sein sollte. Erst im Jahre 1927 war es soweit. Die Verbindung wurde geschaffen, und das Haus selbst bekam einen Laden mit Schaufenstern. Seitdem hat sich das Geschäft gut entwickelt und genießt heute wie ehedem einen vorzüglichen Ruf als Buchbinderei, Papierhandlung und Werkstatt für Einrahmungen.
    Johann Schäfer ist alter Heppenheimer. Er hat hier beim Buchbindermeister Kring in der Bogengasse gelernt, war dann neuen Jahre in der Fremde, bis er sich daheim selbständig machte. In Ernst Meinberg hat er einen Nachfolger gefunden, der nicht nur bei ihm gelernt hat, sondern bis auf kurze Pausen seit 1931 ununterbrochen bei ihm tätig war. Mit seiner Wertarbeit und seiner künstlerischen Buchgestaltung hat sich Ernst Meinberg einen Namen gemacht, und das Ansehen des altbewährten Geschäfts und seines ehemaligen Inhabers wird auf das glücklichste ergänzt durch das Ansehen, das der neue Inhaber genießt.

  • 100 Jahre

    19. Juli 2005

    100 Jahre Firmenjubiläum


    Quelle: Starkenburg Echo, Foto: Lutz Igiel

    Traditionsreich: Mit einer knusprigen 100 und weiteren Geschenken gratulierten Wirtschaftsvereinigung und Werbegemeinschaft der Heppenheimer Kunst- und Rahmenhandlung Meinberg am Samstag zum Geschäftsjubiläum. Unser Bild zeigt (von links): Ernst Meinberg und Tochter Theresa, den Vorsitzenden der Wirtschaftsvereinigung Dieter Löffler, Matthias Meinberg und seine Mutter Felizitas, den Vorsitzenden der Werbegemeinschaft, Willi Kaufmann, und den stellvertretenden Vorsitzenden der Wirtschaftsvereinigung, Michael Rhein.

1927

Nach einigem Hick-Hack war es soweit, und das Haus bekam 1927 einen Laden mit Schaufenstern. Von der ursprünglichen Bausubstanz freilich blieb nicht allzu viel übrig. Kurioserweise hat ausgerechnet der frühere Tanzsaal im ersten Stock überlebt, unter dem der Torbogen gebrochen wurde. Neu dazu kam als dekoratives Element das allseits bekannte Türmchen, das im Laufe der Jahrzehnte von einer architektonischen Attrappe zum Wohnraum umfunktioniert wurde.

Hätten seinerzeit die Pläne von Dr. Heinrich Winter verwirklicht werden können, die Heppenheims Stadtarchivar Harald E. Jöst unlängst ausgegraben hat, wäre das neue Tor zur Altstadt bei weitem prachtvoller ausgefallen, mit zwei Türmen links und rechts und einer von Säulen strukturierten Front. Aber es sollte nicht sein.

Gleichwohl entwickelte sich Schäfers Geschäft gut und genoss einen vorzüglichen Ruf als Buchbinderei Papierhandlung und Werkstatt für Einrahmungen. Vor allem die Buchbinderei florierte. In Zeiten, als es noch keine Leitz-Ordner, geschweige denn Fotokopierer oder Computer gab, herrschte großer Bedarf. Firmen ließen Handbücher fertigen, Ämter ihre Akten und Agenden binden. Auch die "Südhessische Post" war Kundin. Und in Zeiten, in denen Bücher viel Geld kosteten, lohnte es sich, sie vom Fachmann restaurieren zu lassen.

Umbauplan Wormser Tor

Quelle: Stadtarchiv Heppenheim, Zeichnung: Dr. Heinrich Winter

1956

In dem Buchbindermeister Ernst Meinberg senior, seinem Schwiegersohn, dem er das Geschäft am 1. Januar 1956 übergab, fand Schäfer einen Nachfolger, der das Ansehen des Betriebes mehrte. Meinberg senior machte sich nicht zuletzt durch künstlerische Buchgestaltung einen Namen. Das hat Ernst Meinberg junior, der das Geschäft seit 1978 führt, von im gelernt. Wenngleich er sich mit Grausen an seinen ersten Goldschnitt erinnert. "Ich war gerade mit der Arbeit fertig und hatte das Buch zum Trocknen beiseite gelegt, als eine Kundin den Laden betrat und mit den Worten 'Ach, ist das schön' mit dem Daumen über den Schnitt fuhr. Damit hatte sie alles ruiniert". Der Junge weinte bitterlich.

Ansonsten sind die Lehrjahre des heutigen Geschäftsinhabers von Erfolg geprägt. Seine Ausbildung in der Darmstädter Buchbinderei Rehbein schloss er als Kammerbezirkssieger ab. Wie schon sein Vater, der 1997 verstarb, hat Ernst Meinberg Bücher von bleibendem - besser steigendem - Wert geschaffen. Denn die Arbeit an Büchern mit ausgeklügelten Bindungen und besonderen Einbänden ist ausgesprochen aufwendig. Mit der heutigen Massenware Buch hat solches Handwerkskunst natürlich nichts gemein. Von Hand gebundene Bücher sind für die Ewigkeit geschaffen.

Ehrenmappen

Mit ihrem Können haben zwei Generationen Meinberg die Verwalter von Kreis und Kommunen beeindruckt. Wenn ein prominenter oder verdienter Mensch geehrt werden soll, kommt meist der Name Meinberg ins Spiel. Wie der Vater, versteht sich auch der Sohn auf das Anfertigen so genannter Ehrenmappen. Wenn jemand zum Ehrenbürger ernannt wird oder eine ähnlich hohe Auszeichnung erhält, drückt man ihm nicht einfach die Urkunde in die Hand.

Solche aufwendig kalligrafierten Schriftstücke verlangen nach einem repräsentativen Behältnis. Das ist die Ehrenmappe, in der Regel aus Leder gefertigt und entweder mit reliefartigen Motiven wie Wappen oder Gebäuden oder aber mit geprägten Ornamenten verziert.

Die Originale halten die Empfänger - hoffentlich - in Ehren, doch Ernst Meinberg hat jede dieser Mappen fotografiert. Mit berechtigtem Stolz zeigt er sie vor: Die Verschwisterungsurkunde mit der französischen Partnerstadt Le Chesnay (1975), das Urkundenbehältnis für Gracia Patricia von Monaco, auch bekannt als Grace Kelly, deren Großmutter bekanntlich in der Kreisstadt wohnte, und die Mappen für viele - nicht nur Heppenheimer - Ehrenbürger. Zum Schluss das Etui für Buber-Enkelin Judith Buber-Agassi, die 2004 die Ehrenbürgerrechte der Kreisstadt erhielt. Sie anzufertigen hat Ernst Meinberg besonders gefreut, denn sein Großvater Johann Schäfer und der jüdische Religionsphilosoph Martin Buber waren befreundet. "Die Tradition der Ehrenmappen würde ich gern beibehalten", sagt Ernst Meinberg.

So illuster wie die Reihe der Geehrten ist auch die Riege der Künstler, die bei Meinberg rahmen ließen und lassen. Zu den Stammkunden zählten der von Ernst Meinberg junior hoch geschätzte Hans Kohl, dessen Schwiegersohn Karl Busch, Vala Lamberger, Heinz Soell, Rudo Schwarz oder Herbert Haydin. Sie leben alle nicht mehr. Quicklebendig dagegen sind Lothar Griesbach, Mario Derra oder Ernst Meinbergs Bruder Hans-Werner, dessen Werke regelmäßig in den Schaufenstern am Wormser Tor 4 ausgestellt werden. Mit den verfremdeten Motiven gehen Ur-Heppenheimer nicht immer ganz konform, wie Hans-Werner Meinberg augenzwinkernd anmerkt.

Kreativität ist bei den Meinbergs durchaus Familiensache. Auch wenn Matthias, der älteste Sohn von Ernst und Felizitas Meinberg, eine kaufmännische Ausbildung absolviert und mit besten Noten beendet hat. Bilderrahmer ist heutzutage kein Lehrberuf mehr und die Buchbinderei kaum noch gefragt. Aber das macht nichts: In seinem Vater hatte Matthias einen vorzüglichen Lehrmeister. Zur Familie gehören außerdem Sohn Martin und Tochter Theresa. Genügend Nachfolger also, um den Familienbetrieb auch im zweiten Jahrhundert florieren zu lassen.

Kontakt

Adresse

  • ERNST MEINBERG
    Ihn. Matthias Meinberg
  • Wormser Tor 4, 64646 Heppenheim
  • +49 (0 62 52) 25 53

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Von der Autobahn A5
Lorscher Straße Richtung Stadtmitte (B460), nach 2 km links einordnen, abbiegen und gleich wieder rechts Richtung Fürth (B460). Die zweite Möglichkeit rechts und das Wormser Tor ist erreicht.

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